Rotterdam, größter Hafen Europas. Es macht Spaß, von dort eine Reportage mitzubringen. Denn so ein moderner Hafen ist ein Tanz der Technik mit dem Wasser. Und die Menschen sind von der Sorte, die eher weniger Worte macht, aber gerne Dinge bewegt.
Ja, ich liebe Hafenstädte. Beinahe ausnahmslos. Das Wasser, die Brücken, die Kräne, die Gerüche, sogar die Touristen. Eine einzige Hafenstadt gibt es, die war so furchtbar, dass ich einen seelischen Schutzmechanismus entwickelt habe: Mir fällt beim besten Willen ihr Name nicht ein. Nie. Auch jetzt nicht.
Jedesmal, wenn ich die Erinnerungen an meinen Besuch dort abrufen will oder vielmehr muss, bleibt der Name tatsächlich gnädig in den Tiefen meines geplagten Gedächtnisses verborgen und schämt sich. Erstaunlich, was so ein Gehirn alles drauf hat. Aber gut, das Erlebnis fand auf einem Kontinent statt, den ich in diesem Leben nicht dringend ein zweites Mal betreten muss. Ansonsten darf ich sagen: Ja, Hafenstädte liebe ich.
Und deshalb war ich Feuer und Flamme, als mich Dräger für eine Reportage nach Rotterdam schickte. Die Stadt, die mit ihren Öl- und Gasterminals gleich den größten Hafen Europas besitzt. Dräger ist ein Lübecker Technologiekonzern, der dort in Rotterdam eine große Niederlassung hat: Dräger Marine Offshore Service. Diese Bezeichnung kann ja nun allerhand bedeuten, und genau darum ging es. Was bedeutet das? Was tun die da? Also hingefahren, die Leute dort bei der Arbeit beobachtet und einen Text fürs Drägerheft geschrieben.
Es stellt sich raus: Sie tun eine Menge. Sie statten Schiffe und stählerne Hochsee-Plattformen (wie JB-115 auf dem unteren rechten Bild) mit Sicherheitstechnik aus. Also Rettungswesten, Beatmungsgeräte, Feuerlöscher, Sanitäterkoffer, solche Sachen. Sie halten dieses Equipment auch einsatzbereit, kleben die Prüfmarken drauf, tauschen defekte oder abgelaufene Komponenten aus. All das in der kurzen Zeit, in der ein Schiff im Hafen liegt. Oder bei Bedarf auch auf hoher See, wenn die Zeit drängt. Und die Zeit drängt immer. Schiffe müssen fahren. Solange sie im Hafen liegen, verdienen sie kein Geld, sondern kosten Liegegebühren.
Deshalb sieht es in der Zentrale von Dräger Marine Offshore Service auch auf den ersten Blick aus wie im Newsroom einer großen Nachrichtenagentur: überall Monitore, auf denen in Echtzeit Daten von allen Weltmeeren einlaufen. Schiffspositionen, Wetterlage, Kursänderungen, ungeplante Ausfallzeiten. Jedesmal muss der Service dem unsteten Leben auf den Ozeanen angepasst werden. Und dann müssen da Dräger-Leute nach dem Rechten sehen, vor Ort. Oder eben auch gleich im Hafen von Rotterdam, wenn dazu gerade Gelegenheit ist.
Da bewährt es sich dann wieder, dass Menschen in Hafenstädten oft keine Schnacker, sondern Packer sind. Lustigerweise sagen die Rotterdamer über die Amsterdamer, die ja selbst eine Hafenstadt bewohnen, dass diese von Geburt an zu viel Quasselwasser getrunken hätten und dafür nicht wüssten, wie man sich die Ärmel hochkrempelt.
Immer schön, sich ganz gelassen so eine kindische Städtekonkurrenz anzuschauen, wenn man selbst nicht verwickelt ist. Ich komme ja gebürtig aus Düsseldorf. Trauen Sie übrigens keinem Kölner, die sind nicht mal eine richtige Hafenstadt!
Jedenfalls hat Rotterdam mächtig Sympathiepunkte bei mir gesammelt. Auch, weil sie es irgendwie hinkriegen, trotz des allgegenwärtigen Baustoffs Beton eine höchst elegante und lebensfrohe Metropole errichtet zu haben. (Wozu man leider erklären muss: Natürlich ist hier überall Beton. Die Nazi-Luftwaffe hat ja vor fast 80 Jahren keinen Stein auf dem anderen gelassen.)
Fazit: Eine wirklich weltstädtische Stadt, und das bei „nur“ 700.000 Einwohnern. In Hamburg zum Beispiel leben mehr als doppelt so viele Menschen, aber solche Panoramen wie unten bieten sich dort irgendwie nicht. Was natürlich auch daran liegt, dass bei uns an der Elbe lange Jahre nichts höher in den Himmel ragen durfte als der Michel. Sei’s drum. Sagte ich bereits, dass ich Hafenstädte liebe?